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Bickbeeren - Lieblingsdessert und Kindheitserinnerung

Als ich von Ingrid Holschers Blogparade „Süßer Sommer - mein liebstes Sommer-Dessert“ las, fiel mir sofort ein sehr geliebter Nachtisch aus meiner Kindheit ein. Da passt es gut, dass in meinem Ordner unveröffentlichter Texte ein Artikel über Bickbeeren schlummerte! Das ist die Gelegenheit, den Text nach vielen Jahren doch endlich zu veröffentlichen. Auch wenn das Thema im Vergleich zu meinen anderen Artikeln etwas aus der Reihe fällt. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht ganz gering, dass Sie gerade ein neues Wort lernen: Bickbeeren! Und dann passt er doch zu meinem inhaltlichen Schwerpunkt Sprache. Und zu meiner Reihe von Artikeln über den Harz passt er sowieso.

Kein Sommer ohne Bickbeeren

Ein Sommer ohne Bickbeeren war für mich als Kind kaum vorstellbar. Das Wort kennt fast niemand, obwohl die Beeren auch im Harz, wo ich lange gelebt habe, und anderswo sehr häufig sind. Heidelbeeren, Blaubeeren, bei uns in Schleswig-Holstein sagte man Bickbeeren dazu. Dort jedenfalls, wo noch Rudimente von Plattdeutsch gesprochen werden. Meine Oma hatte in ihrem endlos scheinenden Garten – direkt am Waldrand gelegen – riesige Bickbeergebüsche. Übermannsgroß, Zuchtheidelbeeren natürlich, die wilden werden nicht so hoch. Und die Beeren nicht so groß.

Bickbeerpflücken bei Oma

Nahaufnahme einiger Blaubeeren am Strauch. Einige sind noch weißgrün, andere schon fast oder ganz reif.
Bickbeeren pflücken bei Oma gehörte zum Sommer dazu

Jeden Sommer ging es zu meiner Oma zum Bickbeerpflücken. Mit einer alten Milchkanne oder einem Plastiktöpfchen wühlten wir Kinder uns tief in die Büsche hinein auf der Suche nach den blauen Beeren. Das muss so ungefähr die einzige Gartenarbeit gewesen sein, die mich nicht gestört hat – denn ohne das stundenlange Pflücken hätte es keinen Nachschub gegeben, und wie hätten wir ein ganzes Jahr ohne Bickbeeren überstehen sollen? Gar nicht dran zu denken. Wir lieferten uns ein ewiges, erbittertes Wettrennen mit den Vögeln. Keine Partei gönnte der anderen die Ernte. Meist trugen die Vögel den Gesamtsieg davon, sie waren einfach ständig DA, während wir erst nach der Schule kamen. Für Vogelnetze waren die Büsche zu hoch und zu groß, wir konnten nur die kleineren abdecken.

Die Büsche kamen uns so groß vor wie ein Dschungel, wenn wir uns hineinzwängten, um nur ja keine Bickbeere zu übersehen. Über den Fuchsbandwurm  haben wir damals nicht nachgedacht, die Beeren wuchsen in Omas Garten auch hoch genug, um sicher zu sein. Aber in der Familie hielt sich hartnäckig das Gerücht, es gebe in einem der Bickbeerbüsche eine guerillamäßig gewachsene Tollkirsche. Das sorgte bei mir für einen gewissen Nervenkitzel. So passten wir auf wie die Schießhunde. Wobei ich die Verwechslungsgefahr für sehr gering halte, Bickbeeren ohne Krönchen sind halt keine Bickbeeren, so einfach ist das. 

Bickbeeren mit Milch

Auf einem Tisch mit weißem Tischtuch, der im Garten zu stehen scheint, eine Schüssel mit Blaubeeren, ein Schälchen mit Blaubeeren in Milch, außerdem ein Kännchen, ein Löffel und eine Vase mit weißen und blassvioletten Blumen.
Mein Lieblings-Nachtisch als Kind: Bickbeeren mit Milch!

Gleich nach der Ernte gab es Bickbeeren mit Milch, denn dafür braucht man frische Früchte. Die Beeren werden einfach nur von eventuell mitgepflückten Stengelchen und Blättchen befreit, gewaschen, ein wenig gezuckert (nicht ZU wenig!) und etwas stehen gelassen, bis nach dem Abendessen am besten. Als Nachtisch mit frischer Milch drüber – wie Müsli sozusagen, aber wer braucht Haferflocken, wenn er frische Bickbeeren haben kann! – sind sie ein Traum. Und bis heute mein Lieblings-Sommerdessert voller Kindheitserinnerungen.

Bickbeerpfannkuchen

Die Unmengen von Beeren, die wir im Lauf des Sommers ernteten, froren meine Oma und meine Mutter ein. Das geht prima, vor allem wenn man vorhat, Bickbeerpfannkuchen draus zu machen, denn die müssen vor Saft nur so triefen und das geht mit den gefrorenen Beeren besser. Einfach Pfannkuchenteig anrühren, eine Portion in eine heiße Pfanne mit etwas Margarine geben, wenn die Unterseite etwas gestockt ist, zwei Handvoll tiefgefrorener Bickbeeren draufstreuen, wenden, und – wieder auf der „richtigen“ Seite liegend – auf einen Teller geben, mit Zucker bestreuen (nicht zu knapp!) und im Backofen warm stellen. Den nächsten Pfannkuchen oben drauf, bis ein 4-5 Pfannkuchen starker Stapel entstanden ist. Das ist ganz wichtig – man bringt sich um den halben Genuss, wenn man die Pfannkuchen einzeln isst. Wenn ein Stapel fertig ist, wird er geviertelt, jeder kriegt eines der Stücke. Guten Appetit! Bei uns gab es die Pfannkuchen als süße, warme Hauptmahlzeit. Aber sie wären natürlich auch ein superleckeres warmes Dessert!

Bickbeeren im Harz

Im Harz gibt es viele, viele Bickbeeren. Kurz nachdem ich in den Südharz  gezogen war, habe ich auf einer langen Wanderung bei Elend Himbeeren, Brombeeren und einige kostbare, wilde Bickbeeren gepflückt. Nicht im Nationalpark natürlich. Daraus habe ich – ergänzt durch Brombeeren aus dem Garten und eine Schale gekaufter Bickbeeren – Waldfruchtmarmelade gekocht. Das war so ziemlich die beste Marmelade, die ich je gegessen habe. Als ich meiner Vermieterin davon erzählte, hörte ich zum ersten Mal vom Fuchsbandwurm.

Wenn Sie im Harz - oder anderswo - wilde Bickbeeren pflücken, achten Sie bitte auf die vor Ort geltenden Naturschutz-Bestimmungen. Denn nicht überall darf man sie ernten. Im gesamten Nationalpark zum Beispiel ist es nicht erlaubt, Pflanzen oder Teile davon mitzunehmen. Und bedenken Sie, dass niedrig wachsende Beeren, wenn man sie roh isst, den Fuchsbandwurm übertragen können. Am sichersten ist es, sie zu Marmelade einzukochen.

Eine weitere Spezialität aus dem Harz muss ich Ihnen noch ans Herz legen, auch wenn sie kein Dessert ist: Wenn Sie dort auf einer Speisekarte Schnitzel mit Blaubeerschmand entdecken, probieren Sie das unbedingt mal. Sehr zu empfehlen!

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Kommentare: 2
  • #1

    Kerstin Salvador (Samstag, 03 August 2024 07:49)

    Mhhh, mir läuft schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammen. Ein wirklich schöner Text zum Lockerschreiben, der Spaß macht zu Lesen. Werde mir gleich welche fürs Müsli kaufen - in der Großstadt habe ich leider keinen Blaubeerbusch in Reichweite. Hab einen bickbeerenreichen Sommer!
    Liebe Grüße
    Kerstin

  • #2

    Ingrid Holscher (Montag, 26 August 2024 18:15)

    Danke für deinen Beitrag zu meiner Blogparade!
    Das mit den Pfannkuchen kannte ich noch nicht und passt zeitlich super! Wir waren nämlich im Urlaub am Göscheneralpsee Blaubeeren sammeln und haben tiefgefrorene Beeren mit nach Hause genommen.
    Dort sagen die Einheimischen übrigens Heubeeri zu den kleinen Früchten. Aber nur zu denen mit blauem Fruchtfleisch. Die mit hellem Fruchtfleisch heißen Schnuderbeeri.
    Herzliche Grüße
    Ingrid