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Doris Hollnbuchner: Immer links vom Meer

Dieses Buch musste ich einfach lesen, aus mehreren Gründen. Erstens: Ich habe während meines Anglistikstudiums ein traumhaftes Unijahr in England verbracht (allerdings im Norden) und dort meine Liebe zum Wandern zum ersten Mal entdeckt. Allerdings nur auf Tagestouren. Seitdem habe ich eine Schwäche für Großbritannien - inklusive Essen und Wetter! Zweitens habe ich lange im Harz gelebt und bin dort viel gewandert, allerdings auch nie länger als ein Tagesausflug. Drittens habe ich eine Zeitlang selber davon geträumt, einmal eine Fernwanderung zu machen. Aber dazu ist es nie gekommen! Und außerdem ist Doris Hollnbuchner eine liebe Texterkollegin und natürlich interessiert mich ein Buch von ihr!

Das Buch  „Immer links vom Meer“ steht auf einem Bild aus Holzleisten, auf dem die Silhouetten von drei Möwen in Weiß auf graublauem Grund zu sehen sind. Vor dem Buch liegen einige Muscheln.
„Immer links vom Meer“ von Doris Hollnbuchner

 

Doris hat das durchgezogen, wovon ich immer nur geträumt habe: Für ein paar Wochen einfach wandern, Tag für Tag. Was sie dabei erlebt hat, davon erzählt sie in „Immer links vom Meer“.

Auf dem 1014 Kilometer langen South West Coast Path ist sie an der englischen West- und Südküste entlang durch die Grafschaften Somerset, Devon, Cornwall und Dorset gewandert, das Meer als Kontinuum und „Orientierungshilfe“ immer auf ihrer rechten Seite.

Vom Zweifel in den Flow

Voll von Humor, der Gabe, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, und eigentlich sehr britisch erzählt sie von den Wochen ihrer Wanderung. Und das auf eine so persönliche, lockere Art, dass ich das Gefühl hatte, tatsächlich mitzuwandern. Ihre Ängste und ihr Lampenfieber am Anfang der Wanderung konnte ich ebenso nachvollziehen wie das allmähliche Hineinfinden in den Lebensrhythmus des Weitwanderns und dann am Ziel das Bedauern, dass dieses Erlebnis schon wieder zu Ende geht. Lesend erlebt man mit, wie sie mehr und mehr „in den Flow“ kommt, wie die Bereitschaft, sich auf alles einzulassen, das der Path mitbringt, wächst und zu einer großen, vertrauenden Gelassenheit führt.

Auf und ab

Mit Doris‘ Buch erlebt man die Höhen und Tiefen des Coast Path hautnah mit. Einerseits die wirklichen des Geländes, denn insgesamt sind über 30.000 Höhenmeter zurückzulegen. Aber ebenso hautnah lässt sie ihre Leser*innen an den Hochs und Tiefs ihrer Stimmung und Energie teilhaben. So eine Weitwanderung ist eben eine echte Herausforderung – sowohl körperlich als auch mental.

Sie zeigt uns die Landschaft der südenglischen Küste mit Steilküsten, Stränden, Felsentoren und Wäldern, die kleinen Orte mit Pubs und Cafés, die Strände und die Leuchttürme. Sie lässt uns durch den Regen laufen und im prallen Sonnenschein ins Schwitzen kommen. Sie erzählt von schmalen Pfaden an steilen Felshängen, von Flüssen, die man nur bei Niedrigwasser überqueren kann, und von Fähren, die man besser nicht verpassen sollte.

Die Trail Family und die britische Gastfreundschaft

Die Wanderer, denen sie einmal oder immer mal wieder begegnet, die Trail Family, lerne ich durch Doris‘ Augen nach und nach so kennen, als hätte ich sie selbst getroffen. Auch mit ihnen fiebere ich unweigerlich ein bisschen mit. Und wie Doris es getan hat, genieße ich ihre Gesellschaft, lasse sie aber auch wieder ihrer Wege gehen. Wandern und wandern lassen. Jeder geht den Path auf seine Weise und in seinem Tempo.

Ich kann gut nachvollziehen, wie wohl sie sich in England gefühlt hat. Und wie sicher, selbst beim Alleinwandern. Und manches scheint sich seit meiner Studienzeit nicht wesentlich geändert zu haben. Cream Tea zum Beispiel und von wildfremden Leuten mit „Dear“ oder „Love“ angesprochen zu werden. Ein Cider im Pub. Spuren früheren Bergbaus und gusseiserne Briefkästen. Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die einem dort immer begegnen.

Zurück in den Alltag – oder?

Am Ende des Buches feiere ich mit der Autorin ihren Erfolg, als sie das Ziel der Wanderung erreicht. Und ich werde mit ihr wehmütig, als sich der Weg von Minehead nach South Haven Point und der Weg aus dem Alltag zu sich selbst erst einmal dem Ende neigt. Für sie und alle in Gedanken mitgereisten Leserinnen und Leser geht es zurück in den Alltag. Wie sich das anfühlt, nach einer so intensiv erlebten Zeit wieder ins „normale Leben“ zurückzukehren, auch das teilt sie mit den Lesenden.

Sie wollen wissen, wie Doris Hollnbuchners Geschichte weitergeht? Während ich diesen Artikel schreibe, hat sie quasi die nächste Stufe gezündet und ist unterwegs auf dem 1600 Kilometer langen Skåneleden in Schweden diesmal mit Zelt und Campingkocher im Gepäck! Als @immerlinksvomMeer finden Sie sie auf Instagram und können gedanklich mitwandern.

Ich wünsche Doris eine traumhafte Wanderung durch Schonen und freue mich jetzt schon auf den Bericht in gedruckter Form über ihr schwedisches Wanderabenteuer!

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