Zu meinem Beruf gehört die Rechtschreibung untrennbar dazu. Aber wie ist eigentlich meine Beziehung zu ihr? Ganz sicher ist es nicht einfach eine Liebesgeschichte. Eher eine, die das Leben schrieb, mit Höhen und Tiefen!
Angeregt zu diesen Überlegungen - und auf die Idee gebracht, mein Verhältnis zur Orthographie als zwischenmenschliche Beziehung zu beschreiben - hat mich Kerstin Salvador mit ihrer Blogparade "Rechtschreibung und ich - (k)eine Liebesgeschichte", an der ich mich mit diesem Text gerne beteilige.
Der Anfang einer wunderbaren Freundschaft: Rechtschreibung und Lesen
Als freiberufliche Texterin und Lektorin habe ich täglich mit der Rechtschreibung zu tun. Beim Schreiben, Lektorieren, Korrekturlesen von Texten arbeiten wir sozusagen eng und vertrauensvoll zusammen. Meistens läuft das reibungslos und unauffällig. Wir sind also gute Kolleginnen, um im zwischenmenschlichen Bild zu bleiben, alte Freundinnen vielleicht sogar. Aber wie hat diese Freundschaft begonnen?
Der Anfang war, wie Anfänge oft sind, leicht und unbelastet, fast spielerisch. Ich hatte schon vor der Schule lesen gelernt und war wahnsinnig neugierig auf die Welt, die sich mir da öffnete, und auf all die Geschichten in all den Büchern. Vielleicht liegt es daran, dass ich so viel gelesen habe, jedenfalls hatte ich das Glück, dass sich mir die Schreibweisen von Wörtern fast automatisch einprägten. Soweit ich mich erinnern kann, fiel mir das richtige Schreiben schon in der Grundschule leicht. Es gab ein paar Fehler, die ich immer wieder machte und bewusst lernen musste, aber das meiste war unkompliziert.
Schule, Studium - und Rechtschreibprüfung
So haben die Rechtschreibung und ich meine Schulzeit zusammen ganz gut gemeistert und machten uns voller Elan ans Studium. Und ich hatte irgendwann meinen ersten PC. Was für ein Unterschied zu den ersten Hausarbeiten, die ich noch auf einer Schreibmaschine geschrieben hatte! Jetzt ließ sich nicht nur unkompliziert korrigieren und überarbeiten - nein, es gab sogar eine automatisch mitlaufende Rechtschreibprüfung! Allerdings musste ich schnell feststellen, dass die keineswegs immer recht hat ...
Mit der Zeit gewann auch das Korrekturlesen an Bedeutung: Ich schrieb nicht nur sicher und richtig, sondern hatte auch ein gutes Auge für Fehler in Texten. So habe ich Stunden mit dem Korrigieren von Druckfahnen für die Programmhefte unserer Studententheatergruppe und mit dem Korrekturlesen der Magisterarbeit einer guten Freundin verbracht.
Man könnte meinen, dass ein Happy End in der Luft liegt: Und von da an lebte sie glücklich und zufrieden in vertrauensvoller Freundschaft mit der Rechtschreibung. Aber nein, ganz so einfach war es nicht. Keine Beziehung ohne Höhen und Tiefen!
Beziehungskrise Rechtschreibreform
Denn da war ja noch die Rechtschreibreform von 1996. Die hat unsere Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Und dabei war ihr erklärtes Ziel, die Regeln zu vereinfachen. Nun, wer wie meine Generation die alte Rechtschreibung gelernt und jahrelang angewendet hatte, für den wurde es an vielen Stellen nicht einfacher, sondern komplizierter. Man musste zum Beispiel nicht nur zwischen einfachem s und scharfem ß wählen, sondern auch noch wissen, ob - wenn das s ausgeschlossen werden konnte - nun ein ß oder ein Doppel-S richtig war! Zusammengesetzte Wörter, die immer ein Wort gewesen waren, wurden auf einmal auseinandergeschrieben! Manche Wörter sahen in der neuen Schreibweise einfach hässlich aus, wie „Portmonee“. Und die Aneinanderreihung von drei gleichen Buchstaben wie in „Balletttänzer“ wirkte, als hätte die T-Taste blockiert. Mal abgesehen von der Verwirrung, die entsteht, wenn man einmal Gelerntes umlernen muss, fand ich manches auch unlogisch. Das machte das Behalten nicht einfacher!
Dadurch war die Stimmung zwischen der Orthographie und mir eine Zeit lang ein wenig im Keller. Zum Glück fiel die Reform in eine Zeit, in der ich kaum Texte mit Außenwirkung schreiben musste. So habe ich mich nach und nach daran gewöhnt, die meisten ß durch ss zu ersetzen (das war noch das geringste Problem), „aufwändig“ von „Aufwand“ herzuleiten und vieles mehr. Aber damit war es nicht getan! Die nächste Beziehungskrise folgte, als Teile der Rechtschreibreform rückgängig gemacht wurden. Nun durfte man wieder „aufwendig“ schreiben. Und war vollständig verwirrt. Aber auch das haben wir zusammen überstanden.
Die Autokorrektur weiß alles besser. Glaubt sie.
Eine weitere technische Entwicklung bot den nächsten Anlass für Stress in der Freundschaft: Wie eine besserwisserische Bekannte, die einem damit auf die Nerven geht, dass sie immer das letzte Wort haben möchte, tauchte die Autokorrektur der Smartphones auf und versuchte, sich zwischen die Rechtschreibung und mich zu drängen. Um sie im Zaum zu halten, muss ich wirklich aufmerksam sein, denn sie ist schnell, unauffällig und häufig sinnentstellend!
„Beziehungsratgeber“ für Rechtschreibung: Der Duden
Jetzt bin ich selbstständig und blicke auf eine langjährige Freundschaft mit der Rechtschreibung zurück. Wie das bei alten Freunden so ist, sind wir milder miteinander geworden. Ich habe mir vieles wieder eingeprägt, das geändert und wieder zurück geändert worden ist, und schreibe wieder sehr sicher. Ich kenne meine „Schwächen“, bestimmte Wörter oder Grammatikregeln, die einfach nicht in meinen Kopf hinein wollen, und weiß, wo ich sie nachschlagen kann. Und ich bin sehr froh über den Duden, online und offline! Er ist sozusagen der perfekte „Beziehungsratgeber“ für mich und die Orthographie.
Also doch ein Happy End! Nach all den Höhen und Tiefen unserer Freundschaft weiß ich die Rechtschreibung sehr zu schätzen. Denn sie sorgt für gute Lesbarkeit, Verständlichkeit und Eindeutigkeit. Und sie spricht von Sorgfalt, die jemand auf einen Text angewendet hat, und lässt einen Text einfach professionell wirken.
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Valerie (Dienstag, 25 Oktober 2022 15:32)
Liebe Birgit,
so ein toller Text zum Thema! Ich bin irgendwie erleichtert, dass auch Menschen die hauptberuflich mit Text arbeiten, ihre Herausforderung mit den Regeln haben - und dann auch milde mit den Autorinnen der zu korrigierenden Artikel sind :).
Mein Beitrag zur Blogparade erscheint am Sonntag. Ich habe auch so meine Mühe mit der Rechtschreibung.
Grüße
Valerie
Birgit Susemihl (Dienstag, 25 Oktober 2022 18:17)
Liebe Valerie, vielen Dank für deinen Kommentar!
Ich hab's ja noch gut, ich konnte mir so etwas wie Schreibweisen immer gut und fast automatisch merken ...