Wenn Sie schreiben, um das Geschriebene in irgendeiner Form anderen zugänglich zu machen, sei es Ihre Website, Ihr Blog, Flyer oder Pressetexte über Ihr Unternehmen, dann kennen Sie das: Der letzte Schritt ist oft der schwerste. Das Klicken auf den „Senden“-Button, um Ihren Text an die Redaktionen zu schicken. Das Umlegen des „Veröffentlichen“-Schalters in Ihrem Blog. Der Moment, wo Sie den Text ausdrucken und jemand anderem zu lesen geben. Die Hemmschwelle kann größer sein als die Angst vor dem leeren Blatt, die Sie erfolgreich überwunden haben!
Wann ist ein Text wirklich fertig und reif für den nächsten Schritt, die Veröffentlichung? Und was können Sie tun, um sicher zu sein, dass Ihr Text nun hinaus in die Welt kann?
Eine gute und eine schlechte Nachricht
Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber die schlechte Nachricht lautet: Nie!
Denn egal, wie oft Sie Korrektur gelesen haben, irgendwo versteckt sich immer noch ein Fehler. Egal, wie oft Sie die Sätze durchgegangen sind und die Formulierungen auf sich haben wirken lassen, es wird Ihnen immer noch ein Wort einfallen, das NOCH treffender, NOCH pointierter, NOCH witziger, NOCH eleganter ist.
Wir schreiben nicht an jedem Tag gleich und wir finden unser Geschriebenes auch nicht an jedem Tag gleich gut. Auch in diesem Sinn ist ein Text ein Prozess, ein Work in Progress, etwas, das Sie an einem anderen Tag ganz anders gemacht hätten. Da gerät man schnell in eine endlose Schleife aus Schreiben, Lesen, Überarbeiten, Umschreiben …
Zum Glück kommt jetzt die gute Nachricht: Es gibt einiges, das Sie tun können, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und Ihren Text in einen Zustand zu versetzen, dass Sie ihn guten Gewissens in die Welt entlassen können. Wenn Sie diese Schritte durchgeführt haben, dann können Sie sicher sein, dass Sie Ihr Bestes gegeben haben! Und dann geht es nur noch darum, ihn wirklich loszulassen. Hinzu kommt: Das Loslassen kann man üben! Aber dazu kommen wir erst später. Jetzt sehen wir uns erst mal an, wie Sie Ihren Text so veröffentlichungsreif wie möglich bekommen.
Der erste Entwurf ist nicht der fertige Text
Dieser Gedanke hilft oft schon beim Schreiben: Nichts, was Sie zu Papier oder in den Rechner bringen, ist in Stein gemeißelt. Erste Entwürfe sind zum Überarbeiten da. Ich finde das sehr wichtig. Nie, unter keinen Umständen, sollte ein Text rausgehen, ohne wenigstens nochmals gelesen und fast immer auch überarbeitet worden zu sein. Und das heißt im Umkehrschluss: Der erste Entwurf muss nicht perfekt sein!
Lassen Sie sich also in Ihrer Planung unbedingt genug Zeit, um Ihren Text in Ruhe durchzuarbeiten! Und bedenken Sie dabei: Das ist oft wesentlich zeitaufwendiger, als man denkt.
Gleich nach dem Schreiben: Ist die Botschaft vollständig?
Vielleicht merken Sie schon beim Schreiben, dass noch irgendetwas fehlt. Oder direkt, wenn Sie das Ende geschrieben haben. Ist Ihre Message komplett enthalten? Ist die Argumentation vollständig und schlüssig? Wird klar, was Sie mit Ihrem Text erreichen wollen? Weiß der Leser, was er jetzt tun soll?
Sie werden ein Gefühl dafür haben, ob der Argumentationsbogen stimmt oder ob noch etwas in der Luft hängt. Wenn Ihnen etwas fehlt, gehen Sie gleich nochmal an den Text und ergänzen Sie es.
Es kann aber auch sein, dass sich das Gefühl dafür, ob Ihr Text vollständig ist, erst in der nächsten Phase (oder beim Überarbeiten) einstellt. Dazu kommen wir jetzt!
Schritt 1: Ein Text muss ruhen wie ein Teig
Auf der Papiertüte einer Bäckereikette fand ich sinngemäß den Satz: „Pst! Unser Teig muss ruhen!“. Das gilt für Ihren Text genau so. Lassen Sie zwischen dem Schreiben und dem Überarbeiten etwas Zeit vergehen. Nicht so viel, dass Sie komplett aus dem Thema raus sind, aber genug, um etwas Abstand zu gewinnen und alles sacken zu lassen. Das hilft Ihnen dabei, mit ganz frischem Blick in die Überarbeitung zu gehen und möglichst objektiv auf den Text zu blicken.
In Bezug auf Marketing- und PR-Texte, Blogartikel und Ähnliches, auch bei Texten für meine Kund*innen, ist für mich das Minimum, dass ich eine Nacht drüber schlafen muss. Je nach Länge und Komplexität des Textes (und je nach Zeitplan) kann es auch mehr sein. Auf jeden Fall ist es wichtig, eine Weile an etwas ganz anderes zu denken und den Text dann ganz neu zu lesen.
Schritt 2: Inhalt und Formulierung
Wenn der Teig ausreichend geruht hat, machen wir uns jetzt wieder ans Kneten. Gehen Sie den Text nach der Pause am besten zuerst inhaltlich durch. Ist alles logisch? Stimmt der Spannungsbogen? Die Argumentationslinie? Gibt es einen Call to Action? Ist die Botschaft klar?
Achten Sie dabei auch auf die Formulierungen. Enthalten sie nicht zu viele Wortwiederholungen? Entsprechen sie Ihrem Corporate Wording und Ihrer Markenstimme? Passen sie sprachlich zu Ihrer Zielgruppe? Sind sie klar und verständlich, auch wenn man nicht so in der Materie steckt wie Sie? Wecken sie die gewünschten Emotionen bei den Leser*innen?
Nutzen Sie diesen Durchgang auch für einen letzten Faktencheck. Sind die Fakten korrekt oder haben sich noch inhaltliche Fehler wie falsche Zahlen, Namen oder ähnliches eingeschlichen? Das sind genau die Stellen, wo sich besonders gerne Fehler einschleichen – und wo Fehler besonders schwer zu entdecken sind.
Schritt 3: Korrekturlesen auf Rechtschreibung und Grammatik
Als Nächstes lesen Sie alles noch mindestens einmal im Hinblick auf Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik. Wenn Sie genug Zeit haben, schadet es nicht, auch vor diesem Durchgang den Text etwas sacken zu lassen. Je frischer Sie wieder daran gehen, desto leichter entdecken Sie die Fehler, die sich noch irgendwo verstecken.
Schlagen Sie Wörter oder Satzzeichen, bei denen Sie unsicher sind, besser einmal zu viel nach als einmal zu wenig. Mir hilft in Zweifelsfällen der Online-Duden immer sehr. Verlassen Sie sich jedenfalls nicht allein auf die Rechtschreibkorrektur Ihres Schreibprogramms!
Ein zweites Paar Augen schadet nie
An dem Theater, an dem ich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, galt für alle Texte, die in irgendeiner Form an die Öffentlichkeit gingen, das Vier-Augen-Prinzip. Jeder Text wurde noch von mindestens einer weiteren Person gelesen. Meine Pressemitteilungen gingen nicht an die Presse, bevor die Abteilungsleiterin sie nicht freigegeben hatte. Monatsspielplan und Spielzeitheft unterlagen ohnehin einem ausgeklügelten Umlauf-System, so dass diese Texte sogar von deutlich mehr Mitarbeiter*innen gegengelesen wurden.
Wenn ein Kollege oder eine Kollegin Ihr zweites Paar Augen sein kann, super. Je länger und komplexer und wichtiger der Text ist, umso wichtiger ist dieser Schritt. Denn Sie selbst kennen Ihren eigenen Text schon zu gut. Das führt leicht dazu, dass Sie unbewusst das lesen, was Sie gemeint haben (sei es orthographisch oder inhaltlich), dass Sie betriebsblind werden.
Für diesen Schritt kann es auch sinnvoll sein, eine*n Lektor*in und eine*n Korrektor*in zu beauftragen. Ihre Texte werden auf jeden Fall davon profitieren, wenn Sie ihnen ein professionelles Lektorat und/oder Korrektorat gönnen. Auch dann sollten Sie aber die beiden vorigen Schritte einmal selbst durchlaufen haben, um einen möglichst fertigen Text ins Lektorat bzw. Korrektorat zu geben. Geben Sie nie, wirklich nie einen ersten Entwurf unbesehen weiter!
Schritt 4: Letzter Durchgang durch den Text
Nun haben Sie schon eine ganze Menge dafür getan, damit Ihr Text für die Veröffentlichung wirklich bereit ist. Wahrscheinlich haben Sie eine ganze Menge geändert, überarbeitet und umgestellt. Deshalb ist dieser letzte Schritt so wichtig, um mögliche Fehler, die sich dabei noch eingeschlichen haben, zu finden.
Lesen Sie Ihre Text noch ein letztes Mal in Ruhe durch. Achten Sie dabei auch nochmal auf die formalen Aspekte. Ist Ihr Corporate Design gewahrt? Sind die Absätze so, wie sie sein sollen?
Falls eine Freigabe von jemandem in Ihrem Unternehmen nötig ist, holen Sie diese jetzt ein. Und dann kann es losgehen.
Raus mit dem Text!
Jetzt haben Sie Ihren Text mehrmals, mit hilfreichen Pausen für den frischen Blick, durchgearbeitet. Um nicht in den oben beschriebenen Loop aus endlosen Überarbeitungsschleifen hineinzugeraten, sollten Sie jetzt einfach den Schritt tun und ihn „loslassen“. Das können Sie jetzt guten Gewissens tun!
Denken Sie dran: Irgendein Fehler ist sowieso noch drin, ganz egal, wie viel Mühe Sie sich geben. Aber nach den beschriebenen Durchgängen haben Sie Ihr Möglichstes getan. Also zögern Sie jetzt nicht mehr – raus damit!
Das Loslassen üben
Es fällt Ihnen immer noch schwer, Ihren Text rauszuschicken? Zuzulassen, dass jemand anders ihn liest? Das kann ich gut verstehen. Es ist schon ein großer Schritt. Für mich war es eine gute Übung fürs „Loslassen“, dass ich in der Festanstellung im Theater oft recht schnell Pressemitteilungen herausgeben musste. So habe ich mich daran gewöhnt, dass ein Text einfach irgendwann raus MUSS. Das macht es mir jetzt leichter – obwohl ich auch bei Kundentexten immer noch ein bisschen unruhig bin und am liebsten noch eine Runde dranhängen würde. Aber irgendwann haben Sie einfach getan, was Sie konnten, und können den Text beruhigt hinaus in die Welt lassen. Und wie ich werden Sie sich daran gewöhnen, Ihre Worte nach angemessener Überarbeitung zu veröffentlichen!
Wenn es Ihnen auch nach den beschriebenen Überarbeitungsrunden noch schwerfällt, Ihren Text weiterzuschicken, dann planen Sie so, dass Sie nach dem letzten Durchgang noch eine Nacht drüber schlafen können, bevor Sie ihn abgeben müssen! Am Morgen nochmal in Ruhe lesen – dann aber wirklich raus damit!
Bücher und andere lange Texte
Bei meinem Roman war es auch für mich nochmal besonders schwierig, loszulassen. Es war eine ganz neue Art von Text, das habe ich schon gemerkt. Nicht nur bei der Abgabe des Manuskripts, sondern auch bei den einzelnen Lektoratsrunden und im Korrektorat. Aber es hilft nichts, ein Text muss fristgerecht weitergeleitet werden!
In solchen Fällen sollten Sie auf jeden Fall mehr Überarbeitungsschleifen einplanen. Denn bei langen Texten ist es schwer, auf alles gleichzeitig zu achten. Und hier ist es unerlässlich, dass Sie sich eine Lektorin und eine Korrektorin suchen. Verteilen Sie die Last auf mehrere Paare Augen und holen Sie sich auf jeden Fall die Unterstützung von Profis. Wenn Sie bei einem Verlag veröffentlichen, plant der ohnehin Lektorat und Korrektorat ein. Aber auch als Selfpublisher*in sollten Sie hier nicht sparen.
Jetzt aber wirklich: Raus mit dem Text!
So, nun haben wir aber genug drüber geredet. Sie haben alles getan, was möglich war. Trauen Sie sich, tun Sie‘s, klicken Sie auf den „Senden“ oder den „Veröffentlichen“-Button! Fühlt sich doch gut an, oder?
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