· 

Was ich beim Schreiben von „Weltenfäden“ gelernt habe

Zur Feier des Buchgeburtstags meines Jugendfantasy-Romans „Weltenfäden“ nehme ich Sie hier noch einmal mit hinter die Kulissen! Schreiben lernt man am besten durchs Schreiben, heißt es. Ich glaube, da ist sehr viel Wahres dran. Während der Arbeit am Roman habe ich jedenfalls eine ganze Menge gelernt. Hier ein paar meiner Erkenntnisse – in einem Format, das von einer Artikelreihe im Blog meines derzeitigen Lieblingsautors Chuck Wendig inspiriert wurde.

Ich verspreche auch, ich versuche, nicht zu spoilern!

Je Fantasy, desto Logik

„Weltenfäden“ spielt hier bei uns, in unserer Alltagswelt, vielleicht in Norddeutschland. Weil ich Geschichten liebe, in denen sich phantastische Elemente in die ganz normale Welt einschleichen. Deshalb wollte ich keine fremde Welt voller eigener Gesetze schreiben. Dadurch waren die Grundsäulen der Welt des Romans ganz klar und eindeutig – jedenfalls für den „menschlichen“ Handlungsstrang um die dreizehnjährige Jula.

Auf der Krone eines Deichs steht ein Schaf. Es blickt eine blaue Bank an, die ebenfalls auf dem Deich steht. Grünes Gras und blauer Himmel.
Die Welt der Schafe trifft auf die Welt der Menschen: „Weltenfäden“

Ein bisschen anders war es mit der Welt von Holly, dem jungen Schaf. Ich wollte Holly als zweite Hauptfigur und die anderen Schafe ihrer Herde als handelnde Nebenfiguren. Also brauchten sie eine Art von Gesellschaft innerhalb der Herde, Sozialverhalten, Gewohnheiten, Rituale. Persönlichkeiten. Da war Spielraum für viele spannende Gedanken. Was bedeutet zum Beispiel die erste Schur für junge Schafe? Ist sie vielleicht eine Art Initiation ins Erwachsenenleben, so ähnlich wie bei uns die Konfirmation? Und wie stellen sich die Schafe die Entstehung der Welt vor?

Gesagt, getan, ich brauchte für die Geschichte, wie sie sich entwickelte, einen Schöpfungsmythos der Schafe. Der hat natürlich mit Wolle zu tun, aber mehr verrate ich hier nicht! Gleichzeitig warf die Welt der Schafe einige unerwartete logische Fragen auf. Verstehen die Schafe eigentlich, was der Schäfer zu ihnen sagt? Wenn er sie ruft?

Die Welt der Schafe bot schon einige Fallen, die beim Schreiben umschifft werden wollten, und mehr als genug Möglichkeiten für Denkfehler. Aber als die rätselhaften Veränderungen begannen, die Jula in ihrer Menschenwelt bemerkt, ging es erst richtig los … und als dann noch die Weltenfäden ins Spiel kamen … Ich weiß schon, warum ich nie einen Zeitreise-Roman schreiben wollte – viel zu viele Paradoxien, von denen ich ganz wirr im Kopf werde! Und mit Weltenfäden ist es so ähnlich. Da liegen die Logik-Fallstricke herum wie Schlingpflanzen auf dem Dschungelpfad. Man muss schon sehr auf der Hut sein als Autorin. Und eine gute Lektorin haben!

Fiese, kleine Details: Von Türen und Fenstern

Der Teufel steckt im Detail. Wie geht ein Schaf durch eine Schuppentür nach draußen, vorausgesetzt, sie ist nicht verschlossen? Es drückt sie mit der Schnauze auf. Wie kommt es wieder zurück nach drinnen durch dieselbe Tür, wenn sie zwar nicht ins Schloss gefallen, aber doch wieder angelehnt ist? Es drückt sie mit der Schnauze auf. Äääähhh, Moment mal!

Nichts hätte ich mir mehr gewünscht, als dass es Gartenschuppen mit Schwingtüren gibt wie Saloons im Wilden Westen! Aber das ist wohl doch etwas unrealistisch. Ich glaube, es gab eine Phase in der Arbeit, wo jede einzelne Tür und jedes einzelne Tor im Manuskript immer in Laufrichtung aufging. Jedenfalls wenn ein Schaf hindurch musste. Damit ich mich erstmal nicht mit dem technischen Kram beschäftigen musste, sondern mich auf die Geschichte konzentrieren konnte. Ein großes Dankeschön an meine Lektorin Hanna Schmandin, die an einer Stelle sinngemäß anmerkte: „Geht diese Tür nun eigentlich nach innen oder nach außen auf?“

Und dann die Fenster. Irgendwann ertappte ich mich dabei, dass ein- und dasselbe Fenster in verschiedenen Szenen den Blick in ganz verschiedene Richtungen bot, als wäre das dazugehörige Zimmer erst auf der Vorderseite des Hauses und dann auf der Rückseite des Hauses. Ups …

Falls ich nochmal einen Roman schreiben sollte, schreibe ich mir bei jeder Tür auf, in welche Richtung sie anschlägt, und bei jedem Fenster, was man von dort aus sieht. Das steht fest!

Erzählperspektive ist mehr als Was-wer-wissen-kann

Was man so in der Schule über Erzählperspektive lernt, konzentriert sich vor allem darauf, in welcher Person eine Geschichte geschrieben ist (Ich-Erzähler in der 1. Person Singular? Oder ein Erzähler, der in der 3. Person schreibt?). Und ob in der 3. Person aus der Perspektive einer bestimmten Figur erzählt wird (personaler Erzähler) oder wie eine Draufsicht aus einer übergeordneten Perspektive (auktorialer, allwissender Erzähler). Es geht meistens darum, was der Erzähler jeweils beobachten oder wissen kann.

Für mich war von Anfang an klar, dass „Weltenfäden“ zwei personale Erzählperspektiven haben wird: die der 13-jährigen Jula und die des jungen Schafs Holly. Für die Umsetzung habe ich viel von einem meiner absoluten Lieblingsromane gelernt: „Wanderers“ vom oben schon erwähnten Chuck Wendig. Als ich es zum ersten Mal las, zog es mich sofort, schlagartig, unwiderruflich auf der ersten Seite in die Geschichte hinein. Einmal natürlich durch das große und sehr rätselhafte Rätsel, das gleich am Anfang aufgemacht wird und das so rätselhaft ist, dass man unbedingt wissen will, was hier eigentlich los ist. Aber es hatte auch mit der Erzählperspektive des Haupt-Handlungsstrangs zu tun.

Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, warum die Hauptfigur mich vom ersten Moment an so berührt hat. Sie ist schon ziemlich anders als ich: viel jünger – Shana ist 17, eigentlich sogar schon zu jung, um meine Tochter sein –, hat einem ganz anderen Background und steht an einem komplett anderen Punkt in ihrem Leben. Und trotzdem. Woran lag es?

Ich glaube, die Art, wie Chuck Wendig die personale Erzählperspektive aus Shanas Sicht verwendet, hat einen großen Anteil an meiner Identifikation mit ihr. Es ist nicht nur, dass wir Leser*innen immer Shanas Wissensstand und Beobachtungen teilen, so dass wir genau so ratlos wie sie vor dem großen Rätsel stehen. Es ist vor allem auch ihre Sprache, die Art, wie sie denkt, wie sie formuliert, die Gefühle, die ihre Erlebnisse in ihr auslösen. Das alles passt einfach so perfekt zu ihr und ist so konsequent durchgezogen, dass ich mich ihr trotz aller Unterschiede sehr nah gefühlt habe.

Von der Meisterschaft eines Chuck Wendig bin ich unendlich weit entfernt. Aber beim Schreiben von „Weltenfäden“ habe ich versucht, das Gelernte auszuprobieren. So eine Erzählperspektive durchzuhalten, ist gar nicht so einfach, wie man es sich vielleicht vorstellt. Und bei der Perspektive des Schafs stellten sich noch ganz andere Fragen. Was können die Schafe eigentlich über die Welt der Menschen wissen? Interpretieren sie bestimmte Dinge anders? Wie muss ich dann in Hollys personaler Erzählperspektive darüber schreiben? Das war sehr spannend und lehrreich. 

Deadlines helfen, aber Pausen auch.

Zuerst habe ich „Weltenfäden“ einfach so vor mich hin geschrieben, ohne konkretes Ziel und ohne Zeitdruck (wenn man von meinem Versuch absieht, im November 2022 das Wortziel des NaNoWriMo zu erreichen). Das funktionierte genau so lange, bis das Vertragsangebot vom Novel Arc Verlag angeflattert kam … (Naja, es funktionierte mehr oder weniger. Tatsächlich habe ich im ersten Halbjahr 2023 relativ wenig am Roman gearbeitet). Zu dem Zeitpunkt war vielleicht ein Drittel der Geschichte fertig.

Und dann war plötzlich alles anders. Es gab einen Abgabetermin, zu dem das Manuskript fertig sein musste, und einen Erscheinungstermin, der irgendwann veröffentlicht wurde. Es musste also ganz in echt wirklich fertig werden. Das war toll, weil ich jetzt ein Ziel, eine Deadline und eine ganz neue Motivation hatte. Wer weiß, sonst würde ich wahrscheinlich immer noch im ersten Drittel der Geschichte herumdümpeln …

Gleichzeitig habe ich aber gemerkt, wie gut Pausen der Kreativität tun. Gut, sie müssen nicht so lang sein wie vor der Vertragsunterzeichnung. Aber es hilft mir, wenn ich die Zeit habe, die Geschichte ein paar Tage sacken zu lassen. Meistens arbeitet sie dann in mir unbewusst weiter. Und in den verrücktesten Situationen fällt mir ein, was als Nächstes passieren muss. Gut, wenn man dann etwas zu schreiben dabei hat, um die Idee nicht zu vergessen!

Die Textverarbeitung raubt den letzten Nerv

Ein paar Monate, bevor ich mit „Weltenfäden“ angefangen habe, bekam ich zum Geburtstag ein Schreibprogramm geschenkt, das ich mir gewünscht hatte. Mit Blogartikeln und Flash-Fiction-Kurzgeschichten habe ich mich eingearbeitet, und, natürlich, „Weltenfäden“ in diesem Programm geschrieben. Man gewöhnt sich sehr schnell an die vielen Features und Möglichkeiten, die so ein Autorenprogramm bietet – vom Plotten über das Organisieren von Rechercheergebnissen über die Figurenplanung über die Szenenstruktur bis hin zur Überarbeitung!

Für das Einreichen und die Zusammenarbeit mit Lektorin und Korrektorin verwendet man dann aber eine Word-Datei. Aus meinem Schreibprogramm lässt sie sich ganz einfach erzeugen. So weit, so gut. Aber dann geht es los.

Cover des Buchs: Auf einem Hügel, der beim näheren Hinsehen wie der Kopf eines Widders geformt ist, stehen ein Mädchen und ein kleines Schaf und blicken auf eine Landschaft aus abgeernteten Kornfeldern. Die Strohballen sehen aus wie Wollknäuel.
Hardcover-Ausgabe von "Weltenfäden", Abb.: Novel Arc Verlag

Das Manuskript in Normseiten formatieren (AAAARGH! DER ENDGEGNER!) und die Normseiten, wenn man sie denn endlich hinbekommen hat, nicht gleich wieder zerschießen. Die angeblich automatische Speicherung, die genau in dem Moment versagt, wenn im Haus EINMAL der FI-Schalter ausgelöst wird. Das endlose Springen und Scrollen, das im Autorenprogramm so, so viel einfacher und übersichtlicher ist.

 

Und dann, wenn man sich gerade wieder an die Arbeit in Word gewöhnt hat, der Schock: Wenn ich eine Textpassage lösche, ist der Kommentar, der an ihr dranhängt, auch weg. Komplett. Oft auch dann, wenn er auch Wörter markiert, die nicht gelöscht wurden. Nicht wirklich praktisch, weil ich mit meiner Lektorin besprochen hatte, dass ich ihre Kommentare zur Erinnerung stehen lasse. Was wirklich hilft, auch mir beim Weiterarbeiten in der nächsten Runde. Also habe ich immer aufgepasst, dass nicht alle Kommentare verschwinden. Word ist halt ein bisschen sehr umständlich … 

Aber wir haben gewonnen und am Ende haben die „Weltenfäden“ das Licht der Welt erblickt! 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0